URBAN OFFLINE FORUM 2019 in Dortmund war erfolgreich
Urban Offline Forum: Persönlichkeiten, Projekte und Ideen für die Innenstadt
Diskussionen über Zukunftsstrategien für Innenstädte – Auszeichnungen für innovative
Start-ups – Fortsetzung am 17. und 18. Juni 2020 in Osnabrück
Mit großem Erfolg hat am Mittwoch (4.9.) und Donnerstag (5.9.) das Urban Offline Forum im Konzerthaus, dem Dortmunder U und dem Deutschen Fußballmuseum in Dortmund stattgefunden. Dass das Thema – die Zukunft der Innenstädte – wirtschaftlich und politisch hochaktuell ist, zeigte sich am breiten Publikumsinteresse. Die 300 Anwesenden waren bunt gemischt: Vertreter von Städten und Gemeinden, Stadtmarketingorganisationen, Einzelhändler, Gastronomen, Immobilienunternehmen sowie Vertreter aus Politik und Gesellschaft. Seit dem massiven Boom des Onlinehandels kämpfen viele Innenstädte mit Umsatzrückgängen und Leerstand. Die alten Strategien funktionieren nicht mehr, neue innovative Ideen und interdisziplinäre Instrumente müssen entwickelt werden. „Wir müssen uns dringend auf die ursprünglichen Kernkompetenzen der Innenstädte besinnen“, betonte Kongress-Initiator Ralf Beckmann vom Veranstalter Stadt + Handel Dienstleistungen GbR, der sich mit großer Leidenschaft für die Innenstadt einsetzt: „Urbane Innenstädte benötigen für den wirtschaftlichen Erfolg auch Begegnungsmöglichkeiten und Nutzungsvielfalt – die Bandbreite einer funktionierenden Innenstadt ist groß. Vor allem muss der Mensch im Mittelpunkt stehen“.
Dass Revitalisierung erfolgreich sein kann, zeigte die Fülle von Best Practice Beispielen, die bei dem zweitägigen Kongress von 28 Speakern vorgestellt wurden. Kurze Slots für erfolgreiche Projekte aus der Praxis für die Praxis standen dabei im Vordergrund:
Megatrend Easyness: Zukunftsforscher Andreas Steinle nahm die Teilnehmer mit auf eine Entdeckungsreise zum Megatrend „Easyness“. Sein Credo: „Was nicht „einfach“ zu nutzen ist, wird in Zukunft von der Bildfläche verschwinden!“ Er konstatierte: „Die Kompliziertheit fordert Easyness und eine Bühne für neue Talente.“ Mit vielen internationalen und nationalen Beispielen u.a. durch das Vauban Quartier in Freiburg zeigte der Zukunftsforscher ganz andere Utopien einer Innenstadt als die bei Google zu findenden Hochhausentwürfe mit fliegenden Untertassen. „Wir leben in einer „real-digitalen Welt“ in der die Menschen vielfältige Formen des Lebens in Gemeinschaft und Individualität suchen“, so Steinle.
Nicht nur Easyness, sondern mehr Entspannung empfahl Sternegastronom Vincent Moissonier aus Köln. „Ich will jedem Gast in Deutschland sagen – entspannt euch!“
Urbaner Genuss und Sinnlichkeit: Akteure aus der Immobilienwirtschaft dachten schon jetzt an das Jahr 2050 und möchten, so wie Stefan Kutscheid von Faco Immobilien, „mit innovativen Konzepten die Immobilien aufwerten“ und „finanzielle Gier“ eindämmen. Auch Klaus Franken von Catella möchte die Bauträger aufrütteln, langfristig zu denken und sinniert: „Es ist das Ansinnen der Allianz der langfristig urban Interessierten, Genuss und Sinnlichkeit herzustellen.“ Gutes Beispiel und ein place-to-be sei das seit 2018 im Bau befindliche „Grand Central“ in Düsseldorf
mit einer Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Kultur, Freizeit, Erlebnis und Mobilität. Eine ruhige Oase in der Innenstadt, ohne Straßen, in der selbst die Müllentsorgung unterirdisch stattfinde.
Markenbildung als Motor der Identität: Wie Identitätsbildung durch Fußball und das Zusammenwirken von Stadt und Verein funktionieren kann, diskutierten Carsten Cramer vom BVB zusammen mit Andreas Rettig vom FC St. Pauli und Stefan Postert von der IHK Bochum. „Auch ein Stadionname“, so Rettig, „trägt zur Identität einer Stadt bei“. Er selber betonte, dass er den Stadionnamen seines Vereins nicht vermarkten wird. Postert resümierte: „Der Sport als kommunaler Vertreter ist das Aushängeschild einer Stadt“. Cramer postulierte: „Fußball und Kommune sollten ihre Stärken begreifen und sich auf das Positive einlassen und aufeinander zugehen.“ Der BVB sei im Übrigen einer der innenstadtfreundlichsten Fußballvereine, da durch die Nähe des Stadions zur Innenstadt die Fans bei einem Spiel direkt durch die Stadt geführt würden und diese beleben.
Intervention Innenstadt: Auch der Handel, u.a. vertreten durch Stephan Zwierzynski von Lidl, machte sich stark für wichtige Innenstadtlagen in Verbindung mit Quartiersentwicklung und der Schaffung von Wohnraum: „Es geht darum, Standorte zu entwickeln. Innenstadtlagen sind für Lidl interessant, weil immer mehr Menschen in den Städten leben.“ Das Thema Pop-Up in der Innenstadt bekommt immer mehr Gewicht: Martin Bressem von Brickspaces stellt Marken nicht nur die Fläche innerhalb der Fläche („space-in-space“) zur Verfügung, sondern realisiert auch das lifestyle-orientierte Raumkonzept, rekrutiert eigene Pop Up-Verkäufer und bietet einen umfassenden Allround-Service. Philip Hartmanis von Neovaude experimentiert mit Pop-up Interventionen, aus denen einzelne Projekte, wie stillgelegte Kinos und gemeinsame Orte wieder belebt werden. Softwareentwickler Wundermobility, vertreten durch Ioana Freise versteht sich als Connector zwischen realer und digitaler Welt. Freise sagt: „Software spielt eine große Rolle in der Entwicklung von Städten“. Parkplatzprobleme mithilfe einer App zu lösen, sei nur ein Beispiel von Onlinelösungen, die das reale Einkaufen erleichtern. Tanja Terulli von LEITNER Seilbahn Berlin zeigte auf, was Seilbahnen in einer Stadt leisten können, sowohl touristisch als auch zur Unterstützung des Öffentlichen Nahverkehrs.
Urbane Aktionen, Events und Influencer: Kulturvertreter Andreas Rochholl, der sich als „Realisateur“ versteht und unter anderem das Contemporary Tango Festival Berlin in der Berliner U-Bahn ins Leben gerufen hat, möchte Kulturen in der Stadt verbinden und regte zum Nachdenken an, als er davon sprach „vorbereitet zu sein auf das Jahr 2045 mit großen Flüchtlingsbewegungen. Der Tango nimmt die Kulturen mit – ohne Sprache. Tango erzeugt Frieden!“ Bei aktuellen Diskussionen um die Innenstadt vermisst Rocholl die Themen der Jugend, Frauen und Migranten. Eine, die sich vor allem der Jungend verschrieben hat, ist Susann Seifert aus Altenburg. Mit dem ambitionierten Projekt „Stadtmensch“ möchte sie „am Menschen ansetzen, denn diese sind die Botschafter ihrer Stadt. Unser Marktplatz ist um 17:30 Uhr wie leergefegt, das hat uns in Altenburg nicht gefallen.“ Fördermittel werden an Mitmenschen verteilt, um kleine Projekte in und für die Stadt zu realisieren: „Hiervon geben wir den Leuten 2.000 bis 3.000 Euro und sagen: macht was draus – für die Stadt! Wir nehmen die Menschen mit, lassen sie machen, auch wenn sie naiv rangehen“, so Seifert.
Dass Innenstädte nur zukunftssicher gemacht werden können, wenn Handel, Wohnen, Arbeiten, Verkehr, Infrastruktur und der Mensch zusammen gedacht werden, darüber waren und sind sich die Kongressteilnehmer weitgehend einig. Vielfältige Wege, Möglichkeiten und Anregungen dazu wurden an den zwei Kongresstagen aufgezeigt.
Wettbewerb: Innovative Startups
Die Initiatoren hatten im Vorfeld einen Wettbewerb für innovative Innenstadt-Start-ups
ausgelobt. Die drei Sieger erhielten jeweils ein Preisgeld von 1.000 Euro. Ausgezeichnet wurden:
1. youbuyda – das Start-up verbindet die Online-Suche mit dem Offline-Einkauf zum Vorteil von
Endkunden, Händlern, Marken und Städten. (www.youbuyda.de)
2. meet5 – bringt Menschen mit gleichen Interessen bei zwanglosen Gruppentreffen zusammen –
über eine App und dann sofort im „Real-Life“, in Restaurants und anderen coolen Locations in der
Stadt. (www.meet5.de)
3. tryff – ist ein hybrider Marktplatz zum Treffen und Testen innovativer und nachhaltiger
Produkte von Marken aus den Bereichen Tech, Mobility, Health, Design und Urban Lifestyle.
(www.tryff.de)
„Es braucht eine neue Generation von Innenstadt-Denkern“, betonte Kongress-Initiator Ralf Beckmann. „Die prämierten Start-ups zeigen, dass sich analoge und digitale Welt keineswegs feindlich gegenüber stehen, sondern sich im Gegenteil gegenseitig bereichern können.“
Durch das Programm führte ein eloquenter und gut gelaunter Helmut Gote vom WDR. Der Journalist und Radio-Koch spürt die Qualitäten der Innenstädte in seiner ganz eigenen sinnlichen Form auf. Gewohnt leidenschaftlich führte der Genussexperte die Teilnehmer und Referenten durch die Handlungsfelder der Innenstadtentwicklung und konstatierte: „Beim Urban Offline Forum wird der Fantasie eine Bühne geschaffen!“
Zum Abschuss der beiden Forumstage, zeigten verschiedene Exkursionen den Teilnehmernbeste Beispiele für Stadtentwicklung und erfolgreichen Strukturwandel in Dortmund.
Eine Fortsetzung des Forums ist am 17. und 18. Juni 2020 in Osnabrück geplant. „Das Thema Wiederbelebung der Innenstadt bleibt auf jeden Fall brisant und aktuell“, resümierte der Initiator Ralf Beckmann.